Auswirkungen der neuen FinVermV auf Compliance-Pflichten von Crowdinvesting-Plattformen

Der Bundesrat hat am 20. September 2019 die neue Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV-neu) verabschiedet, die Verhaltens-, Organisations- und Prüfungspflichten u.a. für Finanzanlagenvermittler nach § 34f Gewerbeordnung (GewO) enthält. Im Zuge der Neuregulierung werden die Compliance-Pflichten für diese GewO-Vermittler denen für MiFID II-Vermittler angeglichen (ohne komplett gleichzulaufen). Die Änderungen, die ursprünglich parallel zum Inkrafttreten der MiFID II geplant waren, treten zum 1. August 2020 in Kraft und erfolgen im Hinblick darauf, dass die BaFin ab 2021 zuständige Aufsichtsbehörde über jetzige Finanzanlagenvermittler werden soll. Dabei ist die FinVermV-neu nur ein Zwischenschritt, da sie im Zuge des geplanten Austauschs der zuständigen Aufsichtsbehörde im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) aufgehen wird (Eckpunktepapier BMF, BMJV und BMWi zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die BaFin).

Crowdinvesting-Plattformen, die innerhalb der Bereichsausnahme des § 2a Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) als Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO tätig sind, unterliegen ab dem 1. August 2020 der FinVermV-neu. Die FinVermV-neu macht aufgrund der Angleichung des aufsichtsrechtlichen Niveaus an den WpHG-Standard entsprechende Anpassungen der bestehenden Plattform-Prozesse und der Vertragsdokumentation erforderlich, die bei Crowdinvesting-Plattformen mit bloßer Vermittlertätigkeit (im Falle einer Anlageberatungstätigkeit treten weitere, hier nicht aufgeführte Pflichten hinzu) wie folgt aussehen:

Versicherungssumme Berufshaftpflicht:

Die im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung von Finanzanlagenvermittlern geltende Mindestversicherungssumme wird erhöht von EUR 1.130.000 Euro auf EUR 1.276.000 für jeden Versicherungsfall und von EUR 1.700.000 auf EUR 1.919.000 für alle Versicherungsfälle eines Jahres (§ 9 Abs. 2 FinVermV-neu). Die Berufshaftpflichtpolice der Plattform ist entsprechend zum 1. August 2020 anzupassen.

Interessenkonflikte/Vergütungspolitik/Aufzeichnungspflicht:

Mit § 11a FinVermV-neu wurde eine neue Vorschrift eigens zur Vermeidung, Regelung und Offenlegung von Interessenkonflikten eingefügt. Die Pflicht, Anleger über Interessenkonflikte zu informieren, besteht zwar bereits nach dem derzeit geltenden § 13 Abs. 5 FinVermV. Nach § 11a Abs. 1 FinVermV-neu sind Plattformen nun aber zusätzlich dazu angehalten, Interessenkonflikte zu vermeiden. Sofern dies nicht gelingt und eine Beeinträchtigung der Anlegerinteressen bei objektiver Betrachtung nicht auszuschließen ist, sind die betreffenden Interessenkonflikte rechtzeitig vor Abschluss eines Geschäftes gegenüber dem Anleger offen zu legen.

Zudem beinhaltet § 11a Abs. 3 FinVermV-neu ein Verbot für Finanzanlagenvermittler, ihre Beschäftigten in einer Weise zu vergüten oder zu bewerten, die mit ihrer Pflicht, im bestmöglichen Interesse des Anlegers zu handeln, unvereinbar ist. Das bedeutet, dass die Vergütung und ähnliche Anreize „nicht ausschließlich oder vorwiegend auf quantitativen wirtschaftlichen Kriterien“ beruhen dürfen und „angemessene qualitative Kriterien berücksichtigen müssen“. Zudem ist „ein Gleichgewicht zwischen festen und variablen Elementen der Vergütung“ vorzusehen.

Korrespondierend hierzu sind Finanzanlagenvermittler nach § 22 Abs. 2 Nr. 1lit. b) bis d) FinVermV-neu künftig aufzeichnungspflichtig bezüglich der ordnungsgemäßen Durchführung der vorgenannten Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Offenlegung von Interessenkonflikten.

(Jährliche) Information zu Kosten und Nebenkosten der Anlage:

Die gegenüber Anlegern bestehenden Informationspflichten v.a. zu Kosten und Nebenkosten der Finanzanlage werden zum 1. August 2020 verschärft. Zusätzlich zu der aktuell bestehenden Pflicht zur Information vor Geschäftsabschluss nach § 13 Abs. 1 S. 1 FinVermV-neu („Ex-ante-Kosteninformation“) ist künftig jedem Bestandsanleger im Hinblick auf die tatsächlich angefallenen Kosten regelmäßig, mindestens jährlich, eine weitere Kosteninformation zur Verfügung stellen, § 13 Abs. 5 S. 1 FinVermV-neu („Ex-post-Kosteninformation“).

In der Ex-ante-Kosteninformation ist zu unterscheiden zwischen (i) Kosten und Nebenkosten der Anlagevermittlung (d.h. alle Kosten und Nebenkosten, die seitens der Plattform oder durch eingeschaltete Dritte für die Erbringung der Vermittlungsdienstleistungen und/oder Nebenleistungen gegenüber dem Anleger berechnet werden) und (ii) Kosten der vermittelten Finanzanlage (d.h. alle Kosten und Nebenkosten im Zusammenhang mit der Konzeption und Verwaltung der Finanzanlage). § 13 Abs. 3 und 4 FinVermV-neu enthalten dabei konkrete Vorgaben dazu, in welcher Form die vorgenannten Kostenpunkte offengelegt werden müssen. Neben der Pflicht zur Aufgliederung nach den vorgenannten Kostenarten wird künftig verlangt, die aggregierten Kosten und Nebenkosten zu addieren und als Geldbetrag und Prozentsatz anzugeben (§ 13 Abs. 3 Satz 1 FinVermV-neu i.V.m. Art. 50 Abs. 2 Satz 2 und Anhang II DelVO (EU) 2017/565; nicht einschlägige Kostenpositionen sind aus Gründen der Vergleichbarkeit aufzuführen und mit „Null“ anzugeben (Seite 90, Answer 20 ESMA Q&A zur DelVO (EU) 2017/565; bzw. Seite 72, Antwort 20 der unverbindlichen deutschen Übersetzung der ESMA Q&A zur DelVO). Ex-ante-Kosteninformationen über die Kosten in Bezug auf die Finanzanlage oder die Nebendienstleistung können dabei auch auf der Grundlage eines angenommenen Anlagebetrags zur Verfügung gestellt werden (ErwG 78 DelVO (EU) 2017/565). Somit bleibt es Plattformen weiterhin möglich, Anlegern standardisierte Ex-Ante-Kosteninformationen zu übermitteln.

Die neue Pflicht zur regelmäßigen, mindestens jährlichen Übermittlung einer Ex-post Kosteninformation besteht nur, sofern im Laufe des Kalenderjahres eine laufende Geschäftsbeziehung zwischen Plattform und Anleger besteht oder bestand. In diesem Fall müssen Anleger einmal im Jahr einen Überblick über die im vorhergehenden Jahr angefallen Gesamtkosten und Nebenkosten erhalten und zwar auf Grundlage ihrer persönlichen Umstände und der tatsächlich angefallenen Kosten. Diese Kosten und Nebenkosten müssen addiert und sowohl als Geldbetrag als auch als Prozentsatz angegeben und individualisiert zur Verfügung gestellt werden. Es bietet sich daher an, Anlegern die Ex-Post-Kosteninformation per Email zu übermitteln oder in ein qualifiziertes e-Postfach einzustellen; anbieten dürfte sich hierfür ein für alle Anleger einheitlicher Zeitpunkt (z.B. zum Ende eines Kalenderjahres).

Kundenzielgruppe:

Es ist künftig anzugeben, ob die Art der Finanzanlage für Privatkunden oder professionelle Kunden bestimmt ist (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) FinVermV-neu). Die Kriterien, die ein Kunde erfüllen muss, um als professioneller Kunde im vorgenannten Sinne angesehen zu werden, sind Anhang II der Richtlinie 2014/65/EU (MIFID II) zu entnehmen.

Steuerhinweis:

Die bislang nach § 13 Abs. 3 Nr. 2 FinVermV bestehende Pflicht, den Anleger darauf hinzuweisen, dass aus Geschäften im Zusammenhang mit der Finanzanlage Steuern entstehen können, entfällt künftig. Auch aus den übrigen Regelungen der FinVermV-neu lässt sich keine Aufklärungspflicht hinsichtlich steuerlicher Aspekte herleiten, so dass hierauf in der die FinVermV-neu betreffenden Vertragsdokumentation ab dem 1. August 2020 verzichtet werden kann.

Berücksichtigung und Abgleich mit Zielmarkt:

Gemäß dem neu eingeführten § 16 Abs. 3b FinVermV-neu sind Plattformen ab dem 1. August 2020 dazu verpflichtet, alle erforderlichen Informationen zum Zielmarkt des Emittenten (Kundengattung, für welche die Finanzanlage bestimmt ist) zu beschaffen und hiermit die jeweiligen Anleger abzugleichen, § 80 Abs. 9 WpHG.

Taping:

Alle Telefonate und elektronischen Kommunikationswege sind aufzuzeichnen, sofern sie Beratungs- oder Vermittlungsthemen beinhalten. Insofern sind geeignete Prozesse einzurichten.

Aufbewahrungspflichten / Aufbewahrungsfristen:

In § 23 FinVermV-neu wird die Pflicht des Finanzanlagenvnlagevermittlers, Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem dauerhaften Datenträger aufzubewahren, zum einen auf die Aufzeichnungen von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation nach § 18a FinVermV-neu (sofern eine Aufzeichnungspflicht besteht) erstreckt. Zum anderen wird die bisherige fünfjährige Aufbewahrungsfrist auf zehn Jahre ausgeweitet.

Fazit

Der Großteil der neuen gesetzlichen Anforderungen lässt sich durch Anpassung der bestehenden Vertragsdokumentation ohne erheblichen Aufwand umsetzen. Bezüglich der gesetzeskonformen Erteilung der Kosteninformationen enthalten die ESMA Q&A weitere Informationen und Beispiele, die von den Plattformen herangezogen werden können. Von Vorteil ist dabei, dass den Plattformen noch bis zum 1. August 2020 Zeit bleibt, um sich auf die veränderten Anforderungen einzustellen.

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