Entwurf einer Verordnung über Europäische Crowdfunding-Dienstleister

Am 8.3.2018 hat die Europäische Kommission einen Entwurf einer europäischen Crowdfunding-Regulierung vorgelegt. Mit dem Entwurf einer Verordnung über Europäische Crowdfunding-Dienstleister für Unternehmen (ECSP-VO-E) wird vor allem die Verbesserung der Integration der einzelnen Crowdfinanzierungsmärkte in Europa und leichterer Zugang für KMU und Start-ups zu Kapital bezweckt. Immobilienfinanzierungen werden im Entwurf nicht ausdrücklich genannt, aber auch nicht ausgeschlossen. Für Plattformen soll durch die Verordnung vor allem die grenzüberschreitende Tätigkeit erleichtert werden, so dass sie leichter Größenvorteile heben können. Aber nicht nur Kapitalsuchende und Plattformen, sondern auch Anleger sollen profitieren: Nach Auffassung der Kommission gilt dies insbesondere aufgrund des größeren Wettbewerbs zwischen den Plattformen und aufgrund verbesserter Möglichkeiten zur Risikostreuung.

Von der Verordnung erfasste Vertriebsformen

Kern des Verordnungsentwurfs ist die Einrichtung eines einheitlichen Regulierungsregimes, indem eine europaweit gültige Zulassung als Europäischer Crowdfunding-Dienstleister (European Crowdfunding Service Provider, ECSP) geschaffen wird.

Die unmittelbar von der ESMA beaufsichtigten ECSP dürfen im Rahmen der Verordnung das Platzierungsgeschäft ohne Übernahmeverpflichtung sowie Anlagevermittlung in Bezug auf alle Arten von Wertpapieren i.S.d. MiFID II erbringen. Sie können also sowohl Aktien als auch Schuldverschreibungen vertreiben. Daneben dürfen Plattformen auch Kredite vermitteln. Welche Formen der Finanzierung hiervon erfasst sind, ist allerdings unklar. Auf den ersten Blick wird damit die Vermittlung von Darlehensverträgen, gleich ob mit oder ohne Rangrücktritt, zwischen Unternehmen als Kapitalnehmern und Crowdinvestoren erfasst. Inwieweit sich die Regulierung tatsächlich für solche Intermediäre eignet, die nicht-nachrangige Darlehen ohne Einschaltung einer Bank zwischen Unternehmen und Anlegern vermitteln wollen, ist allerdings fraglich. Zwar sollen durch die Verordnung nach Erwägungsgrund (10) ECSP-VO-E gerade solche unmittelbaren Kreditbeziehungen zwischen Anlegern und Unternehmen ermöglicht werden. Der Entwurf sieht allerdings keine Ausnahmen von Art. 9 Abs. 1 CRD IV (Verbot der Entgegennahme von Einlagen für Nichtkreditinstitute) vor, und die Annahme von nicht-nachrangigen rückzahlbaren Geldern des Publikums wird in Deutschland von der BaFin als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft angesehen. Neben den Emittenten sind aber auch die Anleger von einer Erlaubnispflicht bedroht, da sie den Tatbestand des Kreditgeschäfts im Sinne der herkömmlichen Auslegung der BaFin erfüllen können, wenn sie gewerblich Investitionen tätigen. Es wird sich zeigen, inwieweit die strenge Auslegung der BaFin im Hinblick auf das Einlagen- und Kreditgeschäft im Anwendungsbereich der Verordnung trotz der beabsichtigten Harmonisierung noch Bestand haben kann.

Andererseits könnte man jedenfalls (qualifiziert) nachrangige Darlehen als geeignete Kredite im Sinne des Art. 3 Nr. 1 a) i) ECSP-VO-E ansehen. Diese werden in Deutschland vom Vermögensanlagengesetz erfasst und sind europarechtlich bisher unreguliert. Es scheint nicht ausgeschlossen, zumindest die Vermittlung (partiarischer) Nachrangdarlehen, d.h. Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VermAnlG, unter die Vermittlung von Krediten im Sinne des Art. 3 Nr. 1 a) i) ECSP-VO-E zu subsumieren. Denn der Begriff des „Kredits“ wird im Verordnungsentwurf nicht definiert und die Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts ändert zivilrechtlich nichts an der Einordnung eines Rechtsgeschäfts als Darlehen. Ob die ESMA Geschäftsmodelle billigen wird, bei denen nachrangige Darlehen vermittelt werden, bleibt abzuwarten.

Sonstige Vermögensanlagen, etwa stille Beteiligungen oder GmbH-Anteile, spricht der Verordnungsentwurf nicht ausdrücklich an. Ihre Erfassung ist mangels bisheriger europäischer Harmonisierung des Rechtsrahmens wohl auch nicht beabsichtigt. Für eine weite Auslegung scheint zwar zunächst zu sprechen, dass nach Art. 3 Nr. 1 a) ECSP-VO-E zu den Crowdfunding-Dienstleistungen „unter anderem“ die Kredit- sowie Wertpapiervermittlung zählt. Die englische Fassung ist hier allerdings strenger und formuliert, dass ausschließlich die aufgezählten Tätigkeiten Crowdfunding-Dienstleistungen im Sinne der Verordnung darstellen. Aus Erwägungsgrund (11) ECSP-VO-E ergibt sich, dass der Verordnungsgeber die strenge Auslegung im Sinn hatte und es sich bei der deutschen Fassung offenbar um einen Übersetzungsfehler handelt.

ECSP-VO als zusätzliches Regulierungsregime neben KWG, VermAnlG und GewO

Ein Vorteil für Plattformen, die sich als ECSP registrieren, ist die mögliche Inanspruchnahme eines europäischen Passes, durch den Plattformen ohne weitere einzelstaatliche Erlaubnisanforderungen europaweit tätig werden können. Ein Nachteil für Plattformen ist insbesondere die mit einer Million Euro verhältnismäßig geringe Schwelle, bis zu der sie Emissionen unter dem neuen Regime durchführen dürfen. Die Volumenbegrenzung ist allerdings auf einen zwölf-Monats-Zeitraum bezogen. Damit sind durchaus größere Finanzierungen möglich, die dann sukzessive erfolgen müssen. Ob die Volumengrenze in Höhe von einer Million Euro pro Jahr, die im internationalen Vergleich eher niedrig erscheint, ausreichend Anreize für Plattformen bietet, das europäische System zu nutzen, kann allerdings bezweifelt werden.

Gleichzeitig werden durch den Verordnungsentwurf nationale Crowdfunding-Dienstleistungen nicht berührt. Das Regulierungsprogramm ist also optional. Für deutsche Plattformen, die mit Erlaubnis nach § 34f GewO operieren und Crowdfinanzierungen mit Vermögensanlagen unter dem Regime des § 2a VermAnlG im Inland durchführen, ändert sich insofern nichts. Gleiches gilt für Plattformen mit Erlaubnis nach § 32 KWG, die Crowdfinanzierungen im harmonisierten MiFID II-Regime durchführen.

Soweit die Kommission allerdings davon ausgeht, dass Plattformen mit Erlaubnis nach Art. 10 ECSP-VO-E daneben keine rein nationalstaatlichen Zulassungen mehr besitzen dürfen und auch rein inländische Emissionen auf diesen Plattformen zwingend im Regime der ECSP-VO erfolgen müssen, überzeugt dies nicht. Schon allein um interessierten Plattformen den Übergang auf die neue Regulierung zu erleichtern, sollte der Entwurf dahingehend ergänzt werden, dass Plattformen ihr nationales Geschäft im Einklang mit rein nationalen Vorschriften weiterhin ausüben können, auch wenn sie eine Erlaubnis nach der ECSP-VO erhalten haben.

Pflichten der Plattformen

Der wohl wichtigste Aspekt der neuen Regulierung ist außerhalb des Verordnungsentwurfs in einer begleitenden Richtlinie geregelt: Durch eine Änderungsrichtlinie zur MiFID II werden lizensierte ECSP vom Anwendungsbereich der MiFID II ausgenommen. Für die Plattformen entfallen damit eine Reihe aufwendiger Pflichten, die von der MiFID II und den diesbezüglichen Durchführungsrechtsakten statuiert werden. Sämtliche Organisations- und Verhaltenspflichten werden stattdessen unmittelbar im Verordnungsentwurf bzw. in noch zu erlassenen delegierten Rechtsakten geregelt.

Inhaltlich bestehen insbesondere MiFID II-ähnliche Wohlverhaltenspflichten, die jedoch in Umfang und Regelungstiefe deutlich hinter dem MiFID II-Regime zurückbleiben. Neben einer Generalklausel zur Festlegung einer wirksamen und umsichtigen Leitung (Art. 5 ECSP-VO-E) müssen etwa für die Bearbeitung von Beschwerden wirksame und transparente Verfahren eingerichtet werden (Art. 6 ECSP-VO-E). Das Verbot für ECSP nach Art. 4 Nr. 3 ECSP-VO-E sich eine Vergütung oder Vorteil dafür gewähren zu lassen, Investoren auf ein bestimmtes Angebot auf ihrer Plattform zu lenken, darf nicht als Provisionsverbot verstanden werden. Der Kommission geht es vielmehr darum, dass die Plattformen nicht bestimmte Emissionen ihres Programms aus sachfremden Gründen bevorzugen dürfen. Ob das im Sinne des Anlegerschutzes geboten ist, ist zweifelhaft. Jedenfalls steht es der Praxis nicht entgegen, neue Emissionen oder Emissionen kurz vor Ende der Finanzierungsphase besonders hervorzuheben, wenn dafür keine besondere Gegenleistung verlangt wird.

Die Plattformen müssen im Rahmen eines Anlegertests Grundkenntnisse von Anlegern abfragen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Fähigkeit Verluste in Höhe von 10% ihres Nettovermögens zu tragen zu simulieren (Art. 15 ECSP-VO-E). Wie die Simulation genau aussehen soll, ergibt sich aus dem Verordnungsentwurf nicht. Im Wege delegierter Rechtsakte kann die Kommission hierzu Durchführungsvorschriften erlassen.

Sämtliche Informationen für Anleger müssen klar, verständlich und vollständig sein und in einem eigens ausgewiesenen Bereich der Webseite zur Verfügung gestellt werden (Art. 14 ECSP-VO-E). Wesentlicher Informationsbestandteil ist dabei ein höchstens sechsseitiges Basisinformationsblatt (Art. 16 ECSP-VO-E), welches die in einem Anhang zum Verordnungsentwurf spezifizierten Informationen enthalten muss und das europaweit verwendet werden kann, wenn es in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache (d.h. in Englisch) abgefasst ist. Jeder Anlageinteressent kann aber eine Übersetzung in eine von ihm gewählte Sprache verlangen. Wird diese nicht vorgelegt, müssen ECSP dem Anleger von der Investition abraten; der Anleger kann aber auf eigene Verantwortung zeichnen. Während die Verantwortlichkeit für das Basisinformationsblatt klar beim Projektträger liegt, sind ECSP nach Art. 16 Nr. 6 ECSP-VO-E bei Feststellung einer wesentlichen Ungenauigkeit verpflichtet, das Angebot auszusetzen, bis der Fehler behoben ist. Eine ausdrückliche Haftungsandrohung für fehlerhafte Basisinformationsblätter fehlt ebenso wie eine Regelung, die einen Vorrang des Basisinformationsblatts vor eventuellen anderen nationalen Informationsblättern (etwa das „Wertpapier-Informationsblatt“ gemäß § 3a WpPG-E) bzw. solchen nach der PRIIPs-VO statuiert.

Bewertung

Im Hinblick auf die Integration der europäischen Kapitalmärkte auch für kleinere Finanzierungen – nichts anderes ist Crowdinvesting – kann die Verordnung durchaus ein sinnvoller Schritt sein. Im Detail lassen sich jedoch mehrere Kritikpunkte identifizieren. Die Zeichnungsgrenzen, ein international bewährter Mechanismus der Regulierung von Crowdfinanzierungen und in Deutschland derzeit in § 2a Abs. 3 VermAnlG, § 65 Abs. 1 WpHG und § 16 Abs. 3a FinVermV umgesetzt, fehlen ebenso wie alternative Regulierungsinstrumente, etwa verpflichtend einzurichtende Kommunikationsforen. Dafür werden Marketingmaßnahmen insbesondere durch Art. 19 Nr. ECSP-VO-E stark eingeschränkt, was dem Wesen von Crowdfinanzierungen zuwiderläuft. Insgesamt bedient sich die Kommission schwerfälliger, bürokratielastiger Maßnahmen, welche die Plattformen über Gebühr einschränken und die höchstens mittelbar zur Verbesserung des Anlegerschutzes beitragen. Soweit die Beteiligung von Geschäftsführern oder Mitarbeitern der ECSP an Emissionen auf der eigenen Plattform zur Vermeidung von Interessenkonflikten untersagt wird, geht die Regulierung sogar vollends in die falsche Richtung: Beteiligen sich die genannten Personen transparent und zu gleichen Bedingungen wie die (Klein-)Anleger an einer Emission, wird dadurch gerade ein Interessengleichlauf mit ihnen hergestellt und die Gefahr von Interessenkonflikten verringert.

Sofern die ESMA die Zulassung von Crowdinvesting-Plattformen als ECSP tatsächlich auf wertpapiermäßig verbriefte Instrumente beschränkt und die Vermittlung von qualifiziert nachrangigen Darlehen nicht zulässt, dürfte dies die Verordnung für deutsche Plattformen nur eingeschränkt interessant machen, solange die BaFin bei ihrer erwähnten Auslegung des Einlagen- und Kreditgeschäfts bleibt. Insbesondere die Verbriefung und Sammelverwahrung sowie die Zahlstelle, die bei sammelverwahrten Wertpapieren erforderlich ist, führt zu Kosten, die Plattformen, die Vermögensanlagen vertreiben, nicht haben. Und weil die meisten Emittenten aus Deutschland nicht als AG sondern als GmbH organisiert sind, scheiden Aktienemissionen häufig aus – diese hätten immerhin den Vorteil, dass „echtes“ Eigenkapital platziert wird.

Letztendlich kann der vorliegende Entwurf auch als Eingeständnis gewertet werden, dass die europäische Regulierung mit der MiFID II über das Ziel hinausgeschossen ist. Denn wären dort verhältnismäßige Pflichten und Ausnahmeregelungen für kleinere Wertpapierdienstleister enthalten, könnten Crowdinvesting-Plattformen problemlos europaweit mit entsprechender MiFID-Lizenz operieren, ohne dass es eines eigenen Regelungssystems bedürfte. Wie attraktiv die neue Zulassungsform als ECSP wirklich sein wird, und ob im Gesetzgebungsprozess noch entsprechend nachgebessert wird, wird sich zeigen.

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